Ein Kind ohne Kindheit An einem heißen Sommertag im Jahr 1949, genauer gesagt am 28. Juli, kam ich zur Welt. Das war im Friedweg 28 in Biel, im Haus von Albert Kocher und Dora Mägli. Mein Vater arbeitete als Gärtner beim städtischen Grünflächenamt der Stadt Biel. Als ich drei Jahre alt war, wurde mein Vater krank. Er litt an einer erblichen psychischen Erkrankung. Seine Persönlichkeit veränderte sich rapide, sodass er in die psychiatrische Klinik in Münsingen eingewiesen werden musste. Dort blieb er bis zu seinem Tod im Jahr 1991 und wurde medikamentös behandelt. Ich habe keine Erinnerungen an meinen Vater aus meiner frühen Kindheit. Erst als ich älter wurde, begann ich zu verstehen, warum wir keine Familie sein konnten. Zusammen mit meiner Grossmutter besuchten wir ihn regelmässig. Er erkannte mich jedoch nicht als seinen Sohn an. Das war für mich als Kind besonders traurig und deprimierend! Ich hatte zwar einen Vater, aber er war nicht für mich da.
In diesem Buch teile ich einen Teil meiner Geschichte. Meine ersten 29 Lebensjahre als Pflegekind. Beginnen wir mit einem weisen Wort: Urteile niemals über jemanden, bevor du seine Geschichte kennst und ihn in deine Gebete eingeschlossen hast. Am 11. April 2013 entschuldigte sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Namen des Bundesrats öffentlich bei den ehemaligen Pflegekindern. Erst von diesem Moment an konnte ich endlich beginnen, mich mit meiner Kindheit und Jugend auseinanderzusetzen. An diesem Tag versammelten sich etwa siebenhundert Menschen zu einer Gedenkfeier. Ich war in Begleitung meiner Frau dort. Die Rede weckte bei vielen Menschen starke Emotionen, die mit ihren Erfahrungen in ihrer Kindheit und Jugend, ja sogar in ihrem ganzen Leben, verbunden waren. Unter den Anwesenden flossen viele Tränen. Einige fingen an zu schreien, andere wurden wütend und beschimpften schließlich die Behörden und Länder für ihre Taten gegen unschuldige Kinder.
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