... Die Dinge zu sehen, erforderte offensichtlich, von ihnen und in gewisser Weise von sich selbst abzusehen. ...
In der Spanne zwischen Selbsterforschung und Anpassungs-Bedürfnis überschreitet das Mädchen den Rubikon, nicht ohne an der Welt und der Sprachlosigkeit der Erwachsenen zu verzweifeln. Wie alte Bekannte leuchten Fragen auf und verglimmen gleichsam wie Glühwürmchen in schwüler Sommernacht. Nur um in der Erinnerung umso lebendiger wieder hervorzutreten und in unbekannter Lebenssituation erneut Zusammenhang und Perspektive zu eröffnen.
Wie das möglich war, dass sie diese herrlichen Bilder von der Welt sah, wo sie doch längst hätte blind sein sollen, fragt sich auch die erwachsene Frau noch. Oder war sie es womöglich schon? Aber niemand hatte ihr etwas gesagt. Also hilft sie sich selbst und definiert anhand von Beobachtungen und Erfahrungen ihre Befindlichkeit in jedem Augenblick neu. Weil man gewisse Dinge nicht einmal den Ophtalmologen erzählen konnte. Wohl ahnend, dass ihr Interesse an Erkenntnisfragen gefühlt schon immer dagewesen sein musste, und sich nicht erst als Reaktion auf den Tag X herauskristallisiert hatte, an welchem der Schularzt eine gravierende Sehschwäche bei ihr feststellte. Soweit sie zurückdenken konnte, hatte es sich immer wieder am Umgang der Erwachsenen entzündet und vor allem in Kinderspielen Ausdruck gefunden. Sogar der weise Mann mit dem großen Buch hat keine Antwort parat. Aber Bücher hin oder her, eine Erkenntnis, die nicht aus Verzweiflung gewonnen ist, ist keine.
Auf der Durchreise ans Meer kehrt die erwachsene Frau in ihre Heimatstadt zurück. Es ist die bislang heißeste Nacht des Jahres. Musizierende Gäste einer Garten-Party in der Nachbarschaft des Hotels bilden mit ihrem Gesang die Kulisse, vor der ihre Erinnerungstätigkeit sich entfaltet und Kreise zieht. Verschollen geglaubte Fragmente einer frühen Jugendliebe treten in den Fokus, die sie zu einer Geschichte des Erinnerns und Vergessens zusammenfügt. Bis sie schließlich bei einem Strandspaziergang auf den lapidaren Grund ihres "Scheiterns" stößt. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit.
Angelika Deuschel, geb. 1952, Mutter von zwei Söhnen, wurde Gestalt-Therapeutin, Meditations-Lehrerin, Lebenskünstlerin, widmete sich dem erkenntniswissenschaftlichen Werk Rudolf Steiners und Herbert Witzenmanns, malte, gärtnerte, vermisst ihre Katzen und lebt als freie Autorin in Heidelberg.
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